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Eine Radtour durch Sachsen im August 2001 mit zwei Kindern (Anika 3 1/2 und Titus 4 Monate alt) und zwei Anhängern.
In Deutschland gibt es eine Menge Fernradwege und interessante Landschaften. Da Titus erst vier Monate alt war und wir ihm den Stress der langen Fahrt zum Startort ersparen wollten, sollte unser Ziel mit der Bahn und möglichst ohne Umsteigen erreichbar sein. Uns war klar, dass der Aktionsradius pro Tag um die 20 km liegen würde und wir nicht jeden Tag unterwegs sein könnten. Die Entscheidung fiel uns nicht leicht. Ostfriesland, Main- oder Lahntal? Oder gar das Saarland? Unsere Abenteuerlust siegte und so entschieden wir uns, abseits der ausgefahrenen Radwege in den „wilden“ Osten - durch Sachsen - zu fahren. Mit der Bahn sind wir schnell da
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Wir bleiben drei Tage bei Freunden, bis Titus sich an die neue Situation gewöhnt hat. Es ist noch eine andere Familie mit zwei Kindern zu Besuch da. Wir zelten im Garten unter Apfelbäumen. Titus ist übermüdet, kann jedoch nicht schlafen und kämpft mit seiner Umstellung. Auch kurze Fahrten mit dem Anhänger oder einen Ausflug mit dem Auto macht er nicht mit. Wir zweifeln an unserem Vorhaben. Am dritten Tag radeln wir los. Nach 500 m finden wir uns mit
einem weinenden Baby auf dem Arm am Straßenrand wieder. Es ist zum Heulen. Sollten wir zum nächsten Bahnhof und dann nach Hause fahren? Etwas Trösten und Kuscheln hilft. Nach dem
Stillen bleibt Titus ruhig in seinem Anhänger liegen und schläft bald ein. Wir ändern unsere Pläne und steuern den nächsten Campingplatz an. Ruhig geht es los und es funktioniert! Zwar stimmt die
ADFC-Karte nicht, aber wir finden unseren Weg, der uns zu den Lübschützer Teichen bei Machern führt. Sie liegen malerisch in der Endmoränenlandschaft des Muldentales. Es ist eine kleine
Wochenendhaussiedlung, gegründet in den 20er-Jahren von einem Künstler. Im angrenzenden Wald liegt ein naturbelassener Campingplatz,
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Schnell kommen wir ins Gespräch. Ein Betreuer versichert mir, dass hier die Nazis schon seit Jahren keine Chancen haben. Der See ist schön, fast wie ein Meer. Es gibt eine Wasserskianlage. Der Stress und das Unwohlsein verlassen uns langsam aber sicher. Es ist Samstag und auf dem Platz gastiert eine mobile Disko. Der Bass trommelt gegen die Zeltwand. Aber Techno ist für unsere Ohren viel angenehmer als Nazigegröle. Wir schlafen tief. Der nächste Tag beginnt ruhig und angenehm. Wir faulenzen, schwimmen, mein Fieber ist vorbei.
Es ist wieder Urlaub. Das Wetter ändert sich. Hin und wieder bekommen wir einen Regenguss, so dass wir im Zelt kochen müssen. Nach dem der dritten Tag, der uns geschenkt wird, fahren wir dann in Richtung Dübener Heide.
Durch Wälder, Moore und Wiesen
Kurz vor Pressel, auf einem kleinen von Dauercampern besetzten Platz - wieder an einem Teich - bleiben wir. Hierhin verirrt sich selten ein Tourist. Es gibt nur 7 (geheime) Zeltstellplätze. In der Stille des Waldes schlagen wir für die nächsten zwei Tage unser Lager auf. Titus liegt unter Bäumen und strahlt. Anika tollt herum. Es ist eine Gelegenheit, mich aufs Rad zu setzen und ohne Gepäck, die auf der Karte eingezeichneten Hügelgräber zu suchen. Vorbei an einem Waldlehrpfad, an einem Verlobungsfindling, den ich nicht finde, an Bäumen, deren Alter das eines Menschen um ein Vielfaches übersteigt, geht es weiter durch das Moor. An der vermuteten Stelle biege ich ab und lande schließlich auf einem schmalen Pfad. Das kann nicht sein, die Karte täuscht mich, denn der Weg ist als asphaltiert eingezeichnet. Ich kehre nicht um und versuche blind weiter mein Glück. Hier hätte ich Stollenreifen gebraucht. Trotzdem komme ich gut voran. Matsch spritzt links und rechts und erfrischt mich ein wenig. Nach etlichen Kilometern sehe ich einen Hügel. Der erste Gedanke: ein Hügelgrab. Diesen verwerfe ich schnell und halte erst nach einer weiteren Viertelstunde an. Ich habe die Orientierung verloren. Stopp! Pause! So geht es nicht weiter! Meine Wasserflasche ist leer. Schokolade bringt etwas Energie. In Ruhe studiere ich die Karte und bekomme eine Erleuchtung. Das waren sie die Hügelgräber! Ich fahre zurück. Tatsächlich! Die umherliegenden Steine deuten darauf hin. Jemand hat die eine Seite des Hügels aufgegraben. Große Steine sind sichtbar. Das muss er sein. Der andere Hügel ist mit Farnen bewachsen, die den Inhalt behüten. Den Dritten suche ich erst gar nicht. Es ist schon spät, aber ich will die Nesselburg noch finden. Rauf aufs Rad, die Karte zwischen den Bowdenzügen geklemmt. Intuitiv folge ich den schmalen Wegen durch den Irrgarten des Waldes. Eigentlich dürfte ich bald gar nicht mehr wissen, wo ich bin. Da taucht schon die Nesselwiese auf! Ich steige auf einen Hochsitz und sehe einen verwunschenen Wald und eine, von der tief stehenden Sonne, in Gold getauchte Wiese. Johanniskraut blüht, wie überall hier. Vor mir liegt die Wallanlage. Sichtbar sind die zwei von Erdwällen umringte Kuppen. So groß wie ein halbes Fußballfeld, muss diese Burg eine Menge Menschen beherbergt haben. Auf der Wiese sammele ich noch sonnengetränktes Johanniskraut. Genau so wie ich hierhin gefunden habe, finde ich wieder heraus. Der Duft feuchter Erde steigt mir in die Nase, wenn ich durch die vielen Pfützen fahre.
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In Torgau wird unsere Karawane auf dem Wochenmarkt bestaunt und auf dem Campingplatz am großen Teich mit Handschlag begrüßt. Auch hier finden sich abends wieder einige Elberadler zusammen. Auch Familien mit selbstradelnden Kindern sind dabei. Am Wochenende kommen uns Jana und Ludger besuchen. Wir erkunden zusammen die Stadt. Die Burg Hardenstein beherbergt in ihrem Graben einige Bären, die hospitalisierend zu den Touristen hinaufschauen. Die Frau Luthers lebte in dieser Stadt. Ihre Stube kann man besichtigen. Nachmittags ist der Marktplatz ziemlich leer. Nur bepackte Elberadler sieht man immer wieder. Abends grillen wir, schauen zu dem kristallklaren Himmel auf, bewundern die Sternschnuppen und haben eine Menge Wünsche.
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Und schon wieder genießen wir die Vorzüge des Leipziger Sackbahnhofs. Rollband rauf und wir stehen am Bahnsteig. Der Zug wartet schon. Da keimt aber schon wieder der Ärger mit die Bahn auf. Es stellt sich wieder heraus, dass außer unseren keine weiteren Plätze reserviert sind. Später erfahren wir auch, dass es doch Abteile gibt. Die Fahrt wird sehr anstrengend. Anika ist übermüdet, schläft wegen der Aufregung aber nicht ein und hindert auch Titus beim Einschlafen. Auch wir haben keine Ruhe und sind voller Anspannung. Erst später schläft Anika auf meinem Schoß wie ein Stein ein. Diese Ruhe nutzt auch Titus, der gelegentlich durch die Ansage der Haltepunkte geweckt wird. Doch dann im Tragetuch bei Katja am Bauch schläft er die letzten Stunden ruhig.
© Waldemar Piontek
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